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Wie verändert sich die Rolle von Marken in der Zukunft?

Welche Herausforderungen haben Marken in der heutigen Zeit und was hat sich in den vergangenen Jahren verändert? Diese und viele weitere Fragen haben wir in unserem dritten Smarttalk mit Markenexperte Heiko Bolz besprochen. Bolz Consumer Insight unter der Leitung von Heiko Bolz ist langjähriger Exzellenz-Partner von Cogitaris. In der Vergangenheit konnten gemeinsam viele Studien durchgeführt und Methoden entwickelt werden. Eine Methode davon ist „MyPersona“ zur Ableitung individueller Zielgruppen. „MyPersona“ ist ein Kompetenzpaket aus qualitativer Typenbildung und quantitativer Segmentierung.

Wie verändert sich die Rolle von Marken in der Zukunft?

Wie verändert sich die Rolle von Marken in der Zukunft? – Smarttalk mit Markenexperte Heiko Bolz

Heiko hat Psychologie und Betriebswirtschaft studiert. Vor der Gründung von Bolz Consumer Insight war er 10 Jahre auf Werbeagenturseite tätig. Dort beschäftigte er sich neben einer Vielzahl unterschiedlichster Marktforschungsprojekte als Strategischer Planer, auch mit der Führung und Weiterentwicklung von Marken.

In unserem Interview möchten wir über die Ausrichtung und Entwicklung von Marken in der heutigen Zeit sprechen und uns außerdem damit auseinandersetzen, was sich in den vergangenen Jahren verändert hat.

Was ist das Besondere an deiner Tätigkeit und was hat dich motiviert, diesen Lebensweg einzuschlagen?

Heiko: Das Besondere an meiner Tätigkeit ist für mich der wertvolle Dreiklang, der im Zuge eines qualitativen Marktforschungsprojekts entsteht: erstens der Kontakt mit der Zielgruppe, um die es geht, zweitens die Analyse und Reflexion der Ergebnisse und drittens die aktive Beratungsrolle. Es geht darum, Marken, Zielgruppen, Produkte, den Produktalltag sowie Zielgruppen und ihre Lebenswelten im Gesamtzusammenhang zu verstehen. Mich persönlich inspiriert und bereichert genau diese Konstellation unterschiedlichster Tätigkeiten, weswegen ich heute sehr froh bin, diesen Weg eingeschlagen zu haben.

Was fasziniert dich explizit an Marken und was machen Marken für dich aus?

Heiko: Marken geben nicht nur Orientierung im Markt, sondern stehen für Erlebnis und Bereicherung in unserer Konsumwelt.

Für mich ist der Consumer Insight in der Markenführung der eine Gedanke, der die Beziehung zwischen Kunde und Marke ausmacht, der als Schlüsselgedanke gilt und die Identität einer Markenpositionierung ausmacht. Dieses Prinzip ist mir so wichtig, dass es auch in meinem Firmenname Bolz Consumer Insight wiederzufinden ist. Der Erfolg einer Marke fußt für mich auf drei Säulen. Die erste Säule sind die Verbraucherbedürfnisse und Motive im Produkt- und Zielgruppenalltag, die zweite Säule sind das Kommunikations- und Informationsverhalten der Verbraucher sowie der Wettbewerbsmarken und die dritte Säule ist die Wirkung und der Kern der eigenen Marke. Eine Beziehung zwischen Marke und Kunde sollte mehr widerspiegeln als nur den Kauf eines Produktes. Im Idealfall sollte man Fan dieser Marke sein und sich mit ihr identifizieren. Aber die Beziehungen zwischen Marke und Kunde können, wie zwischen zwei Menschen, ganz unterschiedlich sein und ganz unterschiedliche Emotionen wecken.

Wie hat sich die Kommunikation einer Marke hinsichtlich des Wettbewerbs in den letzten Jahren verändert?

Heiko: Früher hatte man eine deutlich einfachere Sicht auf einzelne Marken. Wettbewerber und ihrer Aktivitäten waren sichtbarer und transparenter. Heute ist das Wettbewerbs- und Medienumfeld viel komplexer geworden. Das Marketing steht vor anderen Herausforderungen. Das Informations- und Kommunikationsverhalten hat sich individualisiert. Es gibt nicht mehr nur wenige Sender und viele Empfänger, sondern heute sind es viele Sender und viele Empfänger. Das macht es aber nicht nur komplexer, sondern bietet auch viel mehr Chancen als früher für Dialog, Markenerlebnis, Kundenbeziehung und das gute Gefühl als Einzelperson verstanden zu werden!

Hat sich auch das Verhalten der Verbraucher durch die veränderte Informations- und Kommunikationssituation geändert?

Heiko: Auf jeden Fall. Das Internet hat zu mehr Transparenz geführt. Menschen tendieren dazu, viel faktenorientierter zu bewerten. Durch die bessere Vergleichbarkeit der einzelnen Produkte, z.B. auf Vergleichsportalen werden auch Marken verstärkt auf Produktleistungsebene gekauft. Das bedeutet aber nicht, dass es keine emotionalen Marken oder emotionale Kaufentscheidungen gibt. Diese „neue“ Komplexität vieler (ähnlicher) Informationen über Produkte, Dienstleistungen und Marken reduzieren Verbraucher bei ihrer Kaufentscheidung, indem sie die Stärken-Schwächen-Matrix, mit der sie als „homo oeconomicus“ gestartet sind, beiseitelegen. Entweder verhalten sie sich nicht, d.h. z.B. sie wechseln den Anbieter nicht oder treffen die Kaufentscheidung emotional. Ob Menschen und Marken zueinanderfinden oder nicht, wird durch unser Emotionssystem beeinflusst.

Wenn Menschen faktenorientiert und emotional entscheiden, worauf genau sollte man im Zuge einer Markenstudie achten?

Heiko: In Markenstudien ist es sehr wichtig, maximal individuell vorzugehen. Der Verbrauchernutzen kann emotional oder rational sein, das ist egal, solange der Verbrauchernutzen relevant ist. Markenstudien sollten alle nötigen Antworten für die zukünftige Markenstrategie liefern. In späteren Produkt- oder Kommunikationsstudien ist die zuvor definierte markenstrategische Zielsetzung ausschlaggebend. Die Empfehlungen müssen dann nicht zwingend auf der Basis der meisten Präferenzen getroffen werden, sondern es kann sehr oft auch die Empfehlung für die zweithäufigste Präferenz die „richtige“ sein, wenn diese beispielsweise stärker die markenstrategischen Ziele erfüllt.

Denkst du, dass Kunden mit dem derzeitigen Angebot überfordert sind, da es so viele unterschiedliche Anbieter und redundante Produkte gibt? Wie glaubst du verändert sich der Stellenwert von Marken in der Zukunft?

Heiko: Ich persönlich bin ein großer Marken-Fan und mag die Vielfalt an Marken. Es gibt immer wieder Bemühungen, das Markenportfolio eines Unternehmens zu bereinigen. Das kann aus kaufmännischen Gründen sinnvoll sein, aber es sollte nicht das einzige Entscheidungskriterium sein. Die Welt wird sich noch weiter ausdifferenzieren und individualisieren, Diversität steht bei Menschen und Marken für Bereicherung, Innovationskraft und Überlegenheit. Heutzutage gibt es so viele unterschiedliche Kommunikationskanäle, die eine Reihe von Möglichkeiten bieten. Die Chance, aber auch Herausforderung liegt darin, eine relevante und einzigartige Positionierung zu entwickeln. Wenn eine klare Markenpositionierung gelingt, ist eine Marke unique und zielgruppenrelevant. Unterm Strich sollten den individualisierten Kunden spezifische Marken angeboten werden. Das hilft den Verbrauchern, sich in einem immer unübersichtlicheren Umfeld zu orientieren.

Welchen Einfluss hat die aktuelle Inflation auf Marken?

Heiko: Derzeit spüren wir alle, dass nahezu alles teurer wird. Die aktuell hohe Inflation setzt Marken zusätzlich unter Druck. Je länger die hohe Inflation andauern wird, desto höher wird die Herausforderung für die Markenführung, die dann auch durch intelligente, d.h. zielgruppen- und markenadäquate Preisimpulse ergänzt werden sollte.

Was denkst du, wie sich das Thema Nachhaltigkeit auf Marken auswirkt?

Heiko: Sicherlich tut es jedem Unternehmen gut zu überlegen, welcher Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit geleistet werden kann. Dabei sollte jedoch vor allem die Glaubhaftigkeit im Vordergrund stehen. Nachhaltigkeit bedeutet: ökologisches, soziales und wirtschaftliches Handeln in Einklang zu bringen. Auch die Einführung neuer Produkte, die einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten, sind in diesem Zusammenhang eine denkbare Option. Werden Informationen hinsichtlich Nachhaltigkeit veröffentlicht, sollten diese zwingend der Wahrheit entsprechen. Gerade die nachhaltigkeitssensiblen Kunden haben ein hohes Informationsbedürfnis und gleichzeitig stehen sie diesen Informationen sehr kritisch gegenüber. Hier würden Unwahrheiten in Bezug auf Nachhaltigkeitsthemen auf großen Unmut stoßen und die Marke beschädigen können. Es geht um Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Greenwashing gibt es schon genug.

Neue Marken setzen sehr stark auf Internetpräsenz und digitale Medien. Wie siehst du diese Entwicklung?

Heiko: Marken sollten alle möglichen bzw. nötigen Kommunikationskanäle nutzen, die auch ihre (potenziellen) Kunden nutzen, um eine Marke davor zu bewahren, alt zu werden oder gar zu verschwinden. Es geht darum, die Positionierung medien- und zielgruppenspezifisch anzupassen, ohne den Kern der Marke zu verändern. Trend- und Zielgruppenforschung hilft bei diesem kontinuierlichen Aktualisierungs-, Anpassungs- und Weiterentwicklungsprozess.

Wie könnten traditionelle Marken mit dem Trend gehen und ggf. auch Werbebotschaften für nachfolgende Generationen entwickeln?

Heiko: Marken sollten in ihrer Identität/Persönlichkeit stabil bleiben, aber gleichzeitig in der Umsetzung dieser Identität/Persönlichkeit immer auf der Höhe der Zeit sein. Das bezieht sich auf Sprache, Alltagssituationen, Lebensstil, Werte und Bedürfnisse, die in der Kommunikation mit ihren Kunden genutzt wird. Harley Davidson konnte seinen Mythos aus dem Film „Easy Rider“ aus den 60er Jahre kaum auf jüngere Motorradfahrergenerationen übertragen. Die Marke ist mit ihren Besitzern alt geworden. Disruptionen auf gesellschaftlicher und technischer Ebene sollten durch zusätzliche Innovationsbereitschaft begegnet werden. Kaum zu glauben, dass in den 70er Jahre Kodak die gleiche Faszination und Anziehungskraft auf Menschen hatte wie heute Apple oder Google.

Wenn ich als Unternehmen eine Zielgruppenstudie durchführe, worauf sollte ich achten und wie oft sollte diese aktualisiert werden?

Heiko: Prinzipiell sollte Marke und Zielgruppe immer als Tandem betrachtet werden. Keine Marke ohne Zielgruppe und wo soll die Zielgruppe hin ohne Marke. Vorab sollte auf Metaebene überlegt werden, welche Zielgruppen es für die eigene Marke und Produktkategorie potenziell gibt. Im zweiten Schritt sollte die Frage geklärt werden, welche Zielgruppen aus welchen Gründen von einer Marke angesprochen werden. Im Fokus stehen weiter die Bindungskraft, Zugangsmotive und Barrieren zur Marke. Grundsätzlich haben Zielgruppen- und Markenstudien eine Halbwertzeit von ca. 3-5 Jahren. Da sich die Welt jedoch immer schneller dreht, könnte diese Zeit sich auch verkürzen. Außerdem sollten diverse Faktoren wie beispielsweise neue oder veränderte Wettbewerber und gesellschaftliche Veränderung in Betracht gezogen werden.

Welchen Einfluss haben Influencer*innen in der heutigen Zeit auf Marken und welche Risiken gehen damit einher?

Heiko: Ganz klar haben Influencer*innen, ähnlich wie bei der Werbung mit bekannten Persönlichkeiten, Vorteile hinsichtlich der Identifikationskraft. Des Weiteren ist es so, dass Menschen, denen man vertraut oder die man mag, generell mehr Einfluss haben. Influencer*innen müssen authentisch sein und genau zur Marke passen. Auch wenn die Bedeutung und der Einfluss von Influencer*innen als groß beschrieben werden, werden sie zunehmend kritisch gesehen.

Gibt es noch generelle Tipps, die unsere Leser bei Aufbau, Aktualisierung oder Neuausrichtung einer Marke helfen können?

Heiko: Man sollte sich Zeit nehmen und sich viele Gedanken machen, um ein aktuelles, tiefes und umfassendes Verständnis der eigenen Marke und ihrer Wechselwirkung mit folgenden Einflussfaktoren zu erlangen: Produktalltag, Markt, Wettbewerbsumfeld, Zielgruppen in ihren Lebenswelten, Customer Journey inkl. Informations- und Kommunikationsverhalten sowie der relevanten Touchpoints. Aus den Erkenntnissen lassen sich eine relevante und langfristige Markenpositionierung inkl. Produkt-, Kommunikations- und Zielgruppenstrategie ableiten.