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Gibt es die Generation Z wirklich_Smarttalk_Cogitaris

Aydin ist unser Geschäftsführer und interessiert sich für alle Themen rund um Marktforschung, Data Science, Digitalisierung sowie KI. Aber auch die Personal- und Organisationsentwicklung ist eine Herzensangelegenheit von ihm. Daher beschäftigt er sich aktuell mit Generationskonzepten, wie z.B. die #GenZ.

Gibt es die Generation Z wirklich_Smarttalk_Cogitaris

Aydin stell dich doch kurz mal vor, wer bist du und was machst du bei Cogitaris?

Aydin: Hallo Alena, danke für das Interview heute. Ich habe Soziologe und Politikwissenschaft in Mainz und in Hamburg mit Schwerpunkt Empirische Sozialforschung studiert. Als Geschäftsführer von Cogitaris bin ich verantwortlich für unseren unternehmerischen Erfolg und unsere strategische Ausrichtung.

Wir wollen heute über die Generation Z sprechen. Erzähl doch mal vorab, was dir in der Personalentwicklung wichtig ist?

Aydin: Ich habe meinen Job gut gemacht, wenn alle Teammitglieder Freude an ihrer Tätigkeit haben und beruflich erfolgreich sind. Also, einen Sinn in ihrer Arbeit sehen, der über das reine Geldverdienen hinausgeht. Dazu gehören wechselnde Herausforderungen, interessante Projekte und die flexible Gestaltung der Arbeitszeit und des Arbeitsorts. Und Freude macht der Beruf auch, wenn man die Möglichkeit hat, sich frei zu entfalten und sich individuell weiterzuentwickeln.

Oftmals werden die von dir erwähnten Werte wie Freiheit, Entfaltung und Flexibilität hauptsächlich der Generation Z zugesprochen. Vor allem im Netz ist das ein großes Thema. Wie siehst du das?

Aydin: Ja, stimmt. Aber das sind auch Dinge, die für mich universell gültig sind. Ich glaube, die Werte und Wünsche, die der Generation Z zugeschrieben werden, waren schon immer da und für viele Menschen erstrebenswert. Es liegt in der menschlichen Natur, etwas zu erschaffen, sich weiterzuentwickeln, einem Team anzugehören, Anerkennung zu erhalten und zu äußern. Flexible Arbeitszeiten, sinnhafte Tätigkeit, nützliche Benefits und gute Bezahlung. Wer will das nicht? Das sind wirklich relevante Faktoren für alle – nicht nur für die Gen Z.
Daher basiert meine Haltung und meine Unternehmensführung nicht auf einem Generationskonzept, sondern darauf, was für das Team gut ist und was sich das Team wünscht. Was richtig und gut für unser Team ist, versuche ich herauszufinden, indem ich halbjährliche Mitarbeitergespräche führe und ein enges Verhältnis zu allen pflege. Zusätzlich bieten wir regelmäßig freiwillige Feel-Good-Gespräche an, bei denen alle Teammitglieder Ideen und Vorschläge zur Unternehmenskultur einbringen.

Der Generation Z werden auch negative Eigenschaften nachgesagt. Wie beispielsweise, dass sie faul und illoyal seien. Was denkst du darüber?

Aydin: Solche Aussagen entsprechen überhaupt nicht meiner Erfahrung. Ich finde, solche pauschalen Äußerungen führen zu Diskriminierung, Abgrenzung und gesellschaftlichem Stillstand. Aus meiner Sicht können wir Herausforderungen nur gemeinsam bewältigen. Denn mit den Veränderungen müssen wir ja auch gemeinsam leben und uns alle an die Bedingungen anpassen. Noch besser wäre es, Entwicklungen gemeinsam zu gestalten und dabei verschiedene Bedürfnisse zu berücksichtigen.
Zum Beispiel ist eine aktuelle Herausforderung die digitale Transformation, das gilt auch für die Marktforschung. Wir können diese Herausforderung nur erfolgreich meistern, wenn das Wissen von allen Teammitgliedern genutzt wird. Im Sinne von Erfahrung trifft Innovation. Ich muss sicherstellen, dass das gesamte Team mit den neuesten Technologien vertraut ist und in der Lage ist, sie effektiv zu nutzen – dabei spielt die Generation keine Rolle.

Was hältst du grundsätzlich von Generationskonzepten, wie zum Beispiel Babyboomer, GenX, GenY, GenZ?

Aydin: Das Gute daran ist, dass sie einfach zu verstehen sind und logisch klingen. Aber die Frage ist auch, wem nützten sie? Wie helfen uns Generationskonzepte wie GenZ, die aktuellen Herausforderungen im Bereich People und Organization zu bewältigen? Die GenZ-Berater empfehlen mir als Unternehmer, dass ich mich intensiv mit diesem Konzept beschäftige. Das habe ich gemacht, indem ich Studien und Bücher zu diesem Thema gelesen habe, Coachings absolviert habe und die Debatte regelmäßig auf LinkedIn verfolge.

Und welche Erkenntnisse hast du dabei gewonnen?

Aydin: Ich bin der Meinung, dass eine Einteilung von Menschen und ihren Lebenskonzepten allein aufgrund des Jahrgangs unzureichend ist. Ich kenne keine empirisch fundierte Studie, die diese stereotypischen Generationskonzepte belastbar untermauert. Auch meine persönliche Erfahrung spiegelt das nicht wider. Außerdem vernachlässigen pauschale Typologien den seit Jahrzehnten fortschreitenden Trend zur Individualisierung. Dennoch konnte ich viel über digitale Plattformen und den Umgang mit diesen lernen. Hierfür finde ich das GenZ-Konzept hervorragend geeignet. Aber leider schießt es über das Ziel hinaus, wenn suggeriert wird, dass Wertevorstellung aus dem Jahrgang abzulesen sein.

Gibt es aus deiner Sicht Alternativen zu den Generationskonzepten?

Aydin: Ja, es gibt empirisch fundierte Zielgruppenmodelle. Zum Beispiel die Sinus-Milieus, die Limpic Types oder auch die Archetypen von C.G. Jung. Auch wenn diese Konzepte oberflächlich bleiben müssen, sind sie aus meiner Sicht besser geeignet für die Einteilung von Lebenswelten, Werten und Überzeugungen.
Denn es gibt zahlreiche weitere Aspekte, die Einstellungen und Verhalten erklären. Zum Beispiel gesellschaftliche oder kulturelle Werte, die Sozialisation im Allgemeinen oder auch Charaktereigenschaften. Der Wunsch nach sehr einfachen klaren Erkenntnisformeln ist verständlich. Aber ein differenzierter, individueller Blick auf Fragestellungen und Zielgruppen lohnt sich, auch wenn es mühsamer ist. Denn nur auf diesem Weg erhält man mehr Erkenntnistiefe und relevante, konkrete Handlungsempfehlungen, die belastbar sind.

Was sagst du als Statistiker zu den Studien, die über die GenZ veröffentlich werden?

Aydin: Es wird mittlerweile gefühlt täglich eine neue Studie zu diesem Thema veröffentlicht. Mir fällt auf, dass diese Studien oft elementare Prinzipien der empirischen Sozialforschung nicht berücksichtigen. Z.B. werden in manchen Studien ausschließlich die Wünsche und Präferenzen der GenZ befragt und dabei suggeriert, dass diese sich zu anderen Generationen unterscheiden. Auch werden strukturelle Einflussfaktoren wie zum Beispiel die Schulbildung, Sozialisation, Herkunft oder die Religionszugehörigkeit außer Acht gelassen. Das ist sehr schade, da viel Geld ausgegeben wird für Erkenntnisse, die aus meiner Sicht nicht wirklich brauchbar sind. Es gibt aber auch wissenschaftlich fundierte Studien zu diesem Thema, wie z.B. die PwC Studie, in der das Konsum- und Mediennutzenverhalten der GenZ im Vergleich zu anderen Generationen untersucht wird.
Außerdem gibt es mit Dr. Rüdiger Maas einen hervorragenden Experten in diesem Bereich. Auch die Beiträge von Dr. Daniel Mühlbauer, der sich mit Datenanalysen und digitalen Tools im Rahmen von People Management beschäftigt, sind sehr empfehlenswert. Beide verfolgen wissenschaftliche Ansätze.

Was denkst du als Unternehmer über die aktuelle GenZ-Diskussion?

Aydin: Generationskonzepte wie die GenZ können im Recruiting oder im Marketing unterstützen. In unseren Studien stellen wir immer wieder fest, dass es signifikante Unterschiede in der Mediennutzung von unterschiedlichen Altersgruppen gibt. Einfaches Beispiel: Tiktok und Snapchat werden eher von jüngeren Zielgruppen genutzt. Aber ich würde daraus keine Einstellungen und Werte ableiten. Diese können innerhalb von Altersgruppen total unterschiedlich und zwischen Altersgruppen sehr ähnlich sein.
Ich beobachte auch, dass die Debatte über die GenZ emotional statt wissenschaftlich fundiert und pauschal statt differenziert geführt wird. Manchmal werden Dinge vermischt und das führt damit zu Annahmen und Postulaten, die Stereotypen hervorbringen.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Teams mit unterschiedlichen Fähigkeiten, Persönlichkeiten und Erfahrungsstufen die besten Ergebnisse erzielen. Allerdings existieren dann auch unterschiedlichen Bedürfnisse, jedoch nicht aufgrund des Alters. Für mich ist es wichtig, auf diese spezifischen Bedürfnisse zu achten und die Entwicklung jedes Einzelnen individuell zu fördern. Wir sollten uns nicht auf eine Zielgruppe fokussieren.

Menschen tendieren dazu, in Schubladen und Modellen zu denken, weil dadurch vieles einfacher zu erfassen ist. Entsprechend ist die Einordnung in Generationen doch ein sinnvolles Instrument?

Aydin: Schubladen sind per se nichts Schlechtes. Ohne Kategorisierung, Verdichtung oder Aggregation von Informationen würden viele Erkenntnisse unentdeckt bleiben. Gerade wir in der Marktforschung stecken Menschen oft und gerne in Schubladen. Strukturmerkmale wie zum Beispiel Alter, Geschlecht, Kundengruppe oder Wohnort sind wichtige Differenzierungsmerkmale, um Ergebnisse korrekt zu interpretieren. Mit unseren Zielgruppenstudien von MyPersona gehen wir noch einen Schritt weiter, indem wir bewusst plakative Zielgruppen und Personas bilden. Diese Personas kann man dann sogar als Pappaufsteller im Unternehmen platzieren, damit sich alle den Zielkunden bildlich vorstellen können. Hierbei arbeiten wir streng nach wissenschaftlichen Methoden und achten penibel auf wissenschaftliche Standards wie Objektivität, Validität, Reliabilität. Die Ergebnisse helfen Unternehmen nachweislich bei ihrer Entscheidung.

Was denkst du nun? Gibt es die Generation Z wirklich?

Aydin: Ja, es gibt solche theoretischen Konstrukte wie die Generation Z. Die Frage ist allerdings, was nützt uns das? Jemand Schlaues hat mal gesagt, nicht wir machen Erfahrung, sondern Erfahrungen machen uns. Und genau so hat nicht die GenZ neue Arbeitswelten erschaffen, sondern die neue Arbeitswelt hat die GenZ erschaffen.
Ein einfaches Beispiel ist die Corona-Krise. Ohne die Corona-Krise wäre Homeoffice nicht etabliert worden, zumindest nicht so schnell. Ein weiteres Beispiel ist der akute Fachkräftemangel und der daraus resultierende Arbeitnehmermarkt. Durch die damit einhergehende Stärkung der Arbeitnehmerposition können nun Forderungen durchgesetzt werden, die bereits vor langen Jahren geträumt wurden und nun allen Generationen zugutekommen.
Auch staatliche Organe haben mit der Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung oder das Nachweisgesetzt tiefgreifende Veränderungen in Gang gesetzt. Ich finde diese Entwicklung sehr gut, da sie Arbeitnehmer schützen und den gesellschaftlichen Lebensstandard anheben und mit Ehrlichkeit, Transparenz oder Work-Life-Balance assoziieren. Das sind Themen, die der Generation Z zugeschrieben werden, allerdings alle Generationen betreffen und prägen. Diese wichtigen Entwicklungen haben nichts mit Generationen zu tun.

Und was möchtest du vermitteln?

Aydin: Wenn wir als Unternehmer weiterhin auf die individuellen Bedürfnisse unserer Mitarbeitenden achten und eben nicht pauschalen oder stereotypischen Mustern folgen, dann machen wir doch schon vieles richtig. Wenn wir generationsübergreifend denken und handeln und damit die Vielfalt in unseren Unternehmen fördern, haben wir auch einen positiven Einfluss auf die gesamtgesellschaftliche Entwicklung. Es ist wichtig, dass Unternehmen einen Purpose und eine Vision bieten, jedoch bringt das nichts, wenn das Fundament nicht stimmt. Und das ist aus meiner Sicht eine Organisation, in der das Individuum jedes Alters gesehen und respektiert wird.
Auch möchte ich den Mitarbeitenden Mut machen. Lasst euch nicht einreden, ihr müsstet nach bestimmten Mustern denken und arbeiten, weil ihr einer bestimmten Generation angehört. Was für andere gut ist, muss nicht für mich gut sein. Es ist ok, wenn ich auf Workation, die 4-Tage-Woche oder Jobsharing Wert lege. Es ist aber auch ok, wenn ich einfach nur gerne meinen Beruf 9to5 ausübe. Beides sollte in einem mitarbeiterzentrierten Unternehmen machbar sein.