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Changes_Marktforschung_Smarttalk_Cogitaris

In unserem sechsten Smarttalk sprechen wir mit Jörg, unserem Head of Analytics & Constulting, über den spannenden Change in der Marktforschung. Jörg erzählt uns von dem Paradigmenwechsel der Marktforschung und was sich dadurch verändert hat. Ein sehr spannendes und humorvolles Interview.

Changes_Marktforschung_Smarttalk_Cogitaris

Die erste Frage ist immer: Wer bist du? Was machst du bei Cogitaris?

Jörg: Ich bin Jörg und bei Cogitaris Head of Analytics & Consulting. In unserem Team kümmern wir uns um Konzeption, Analyse und Beratung unserer Kunden. Es gibt hier übrigens keine Hierarchie, es zählt immer die beste Idee.

Wann und warum hast du dich für den Bereich Marktforschung entschieden?

Jörg: Das war schon in meinem Studium der BWL in den 80er-Jahren. Damals gab es nicht nur coole Musik, sondern auch einen spannenden Paradigmenwechsel in der Marktforschung. Vielleicht kann ich dazu später noch was sagen. In einem Seminar wurde der Case „Timotei“ vorgestellt. Es ging um ein Shampoo, dass das Attribut „Nachhaltigkeit“ bekommen sollte, noch bevor es diesen Begriff im Marketing tatsächlich gab. Mithilfe einer Multidimensionalen Skalierung (MDS) wurden die notwendigen Eigenschaften und das Marktpotenzial des Shampoos in einem völlig freien Verfahren „ausgerechnet“. Das Produkt wurde sozusagen synthetisiert. Es faszinierte mich damals sowie heute, was mit multivariaten Verfahren möglich ist und das war der Startschuss für meinen zukünftigen Werdegang.

Was meinst du mit Paradigmenwechsel, was hat sich denn geändert?

Jörg: In den letzten 15 oder auch 30 Jahren gab es enorme Veränderungen in der Marktforschung.
Als ich in den 90er-Jahren angefangen haben, wurde Marktforschung übertragen ausgedrückt „nach Kilo“ verkauft. Nach dem Motto „viel hilft viel“. Das hieß damals dicke Ordner mit gedrucktem Papier, voller Tabellen und Zahlen. Die Marktforscher wühlten sich durch diese Dokumente und rezitierten bedeutungsschwanger Zahlen. Eine wirklich trockene Materie – und genauso verstaubt und reaktiv waren viele Marktforscher damals. Das war nicht die Art von Marktforschung, wie ich sie vorstellte! Das musste sich ändern.

Und was genau hat sich verändert?

Jörg: Vor allem der Einsatz multivariater Verfahren war der Startschuss hin zu relevanten Ergebnissen und weg von stumpfen Zahlen. Einige haben das früher verstanden, andere später. Es ging nicht mehr nur um das „Wie viel?“, es ging vor allem um das „Warum?“. Wir gehörten zu den Vorreitern dieses Paradigmenwechsels und haben schnell angefangen, echte Lösungen statt Zahlenwerke zu präsentieren. Diese Innovationen konnten jedoch erst mit der Digitalisierung der Marktforschung und angemessener Rechenleistung der Hardware beginnen. Ein schönes Beispiel hierfür ist die Shapley Value Regression – immer noch eines meiner Lieblingsverfahren – da werden leicht mal ein paar Milliarden Rechenoperationen nötig. Läuft in Sekunden. In den 90er Jahren, mussten wir einfache Multidimensionale Skalierungen über Nacht laufen lassen, weil es Stunden dauerte.

Ist Marktforschung dadurch jetzt einfacher und auch zugänglicher geworden?

Jörg: Wie man es nimmt… Es bleibt nämlich häufig auf der Strecke, sich über das richtige Verfahren und die richtige Kalibrierung der Prozeduren Gedanken zu machen. Das vermisse ich oft bei der Anwendung von DIY-Tools – da werden schon mal tolle Artefakte gebaut.

Ist es deiner Meinung nach denn nicht gut, dass die Marktforschung auch mit den DIY-Tools agiler und schneller geworden ist?

Jörg: Nicht unbedingt. Agil bedeutet für mich nicht nur Geschwindigkeit und Prozeduren, die von der Stange verkauft werden. Agilität heißt offen sein für neue Ideen und auch mal Umdenken und so die Konzepte schrittweise Sprint für Sprint gemeinsam mit den Kunden zu optimieren. Erst dann können die richtigen Tools sicher ausgewählt und zielführend angewendet werden. Für mich ist Agilität vor allem ein Mittel zur Steigerung der Qualität.

Wie steigert man denn Qualität in agilen Prozessen?

Jörg: Bei vielen Projekten, die wir konzipieren, ist das optimale Verfahren am Anfang oft gar nicht klar. In diesem Fall muss die Entscheidung über das Verfahren ausdiskutiert werden. Das erfordert auch bei unseren Kunden eine offene Kultur. Unsere Kunden haben diese Kultur. Und dann kommen wir jetzt zum nächsten Paradigmenwechsel. Die erste Veränderung war, von Zahlen zu Ergebnissen zu kommen. Während der Fokus heute darauf liegt, aus Ergebnissen sinnvolle Erkenntnisse abzuleiten.

Wo ist denn der Unterschied zwischen Ergebnis und Erkenntnis? Sind das nicht auch nur neue Buzzwords?

Jörg: Nein, bestimmt nicht. Ob ein Ergebnis auch eine Erkenntnis mit sich bringt, hängt davon ab, ob es für den Kunden auch einen konkreten Nutzen beinhaltet. Um dies zu erreichen, müssen wir als Marktforscher den konkreten Kontext verstehen, in dem unserer Kunden agieren.

Hast du hierzu ein konkretes Beispiel aus der Praxis?

Jörg: Gerne. Ein Praxisbeispiel ist der sinnvolle Umgang mit KPIs. Betrachten wir den Net Promoter Score (NPS), der in sehr vielen Unternehmen zum Einsatz kommt. Viele Unternehmen verwenden den NPS, um sich zu benchmarken oder um ihre Entwicklung am Kunden zu messen. Das ist ein Ergebnis. Was jedoch ausbleibt, sind die zugehörigen Erkenntnisse, wie man den NPS-Wert gezielt steigern kann. An dieser Stelle arbeiten wir mit logistischen Regressionen in einem Szenario-Modell und können so konkrete Informationen darüber geben, welche Stellschrauben gedreht werden müssen, um den NPS nachhaltig zu steigern. Das sind die Erkenntnisse, die unsere Kunden voranbringen.

Es macht wirklich Spaß, dich reden zu hören. Man spürt deine Leidenschaft für die Marktforschung. Ist mit dem zweiten Paradigmenwechsel zur „Erkenntnis“ die Story jetzt zu Ende? Ihr Marktforscher wisst ja jetzt alles. War es das?

Jörg: Auf keinen Fall! Mit den neuen digitalen Möglichkeiten geht es jetzt erst richtig los. Bisher haben wir immer mit Modellen in kontrollierten Stichproben gearbeitet. Diese zu erreichen, wird jedoch auf dem klassischen Wege z. B. via E-Mails und Telefon immer schwieriger. Darum ist der nächste Schritt der Change zum Thema Grundgesamtheit. Denk mal an die Dynamik im Bereich Social Media. Hier werden zukünftig die Märkte gemacht, aber wer macht die? Und für wen? Und wie wollen wir den umfangreichen Traffic zukünftig unter Berücksichtigung der Marktforschungsregeln systematisch auswerten? Es gilt jetzt in besonderem Maße Artefakte zu vermeiden, um auch weiterhin repräsentativ für die Kundenstrukturen eines Unternehmens Ergebnisse liefern zu können. Mithilfe unserer modernen Technik wird es uns auch zukünftig möglich sein, die riesigen Datenmengen zu bearbeiten. Ein Beispiel hierfür ist unser KI gesteuertes Textanalyse-Tool Voices. Wir werden diesen neuen Marktforschungsbereich ganz sicher nicht den Tech-Unternehmen überlassen.